MERAN Im November 1809 tobte rund um Meran die Schlacht um den Küchlberg, welche hunderten Tirolern, Franzosen und Neapolitanern das Leben kostete. Am 12. Mai 2012, wurde nun im Rahmen einer feierlichen Einweihung, ein Denkmal für alle Gefallenen der Küchlbergschlacht enthüllt. Die Schützenkompanie Meran hat diese Gedenkstätte, nach einem Projekt von Frau Mag. Margit Klammer, in Eigenregie beim Pulverturm am Tappeinerweg errichtet.
Das Denkmal besticht durch seine moderne Ausführung in COR-TEN Stahl. Inmitten eines rechteckigen Bogens sind stilisierte Waffen angebracht, die miteinander verschmelzen und so die Sinnlosigkeit eines Krieges versinnbildlichen. Die am angebrachten Erklärungstafeln informieren über die Geschehnisse rund um diese -oft vergessene- letzte große Schlacht der Tiroler Befreiungskriege.
Die Segnung des Denkmals erfolgte durch Dekan Hans Pamer. Im Wortgottesdienst wies er auf die schrecklichen Auswirkungen des Krieges hin: „Menschen verrohen, Feindseligkeit und Hass nehmen weiter zu…!“
Über 300 Schützen aus dem Bezirk Burggrafenamt, dem Vinschgau sowie aus Wilten, Salzburg und Bayern fanden sich beim Pulverturm ein, um an den Feierlichkeiten zur Segnung der Gedenkstätte teilzunehmen.
„Wir gedenken hier aller Gefallenen und Opfer der Küchlbergschlacht, nicht nur der Tiroler, sondern auch der Toten des napoleonischen Vielvölkerheeres „, sagte der Hauptmann der Schützenkompanie Meran Renato des Dorides. Um dieser Aussage mehr Ausdruck zu verleihen, wurde die Begrüßung auch in französischer, italienischer und englischer Sprache vorgenommen.
Gedenkrede
von Stefan Gutweniger – Hauptmann der Schützenkompanie Algund:
Der Kampf am Küchelberg am 16. November 1809 war hier im Burggrafenamt die letzte siegreiche Anstrengung des Tiroler Volkes, seine Selbstständigkeit vor dem Franzosenkaiser Napoleon und seines bayrischen Verbündeten zu erhalten. In unsere Geschichtsschreibung ist dieser Kampf als die „Bergisel Schlacht im Kleinen“ eingegangen und als besonderes Ruhmesblatt für den damaligen Kommandanten Peter Thalguter und seine Mitstreiter.
Die damaligen Ereignisse lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die französischen Truppen unter dem Kommando von General Rusca hielten in einer Stärke von 4000 – 5000 Mann die Umgebung von Meran und den Küchelberg besetzt. Sie wurden von den Tiroler Landstürmern mit ungefähr gleicher Stärke in einem weiten Halbbogen umschlossen, der von Schenna über Kuenz, Dorf Tirol und Algund bis nach Marling reichte. Im Zentrum befehligte Peter Thalguter seine Algunder und die Vinschger, Pater Haspinger führte mit den Passeirern, Riffianern, Maisern und den Schützen aus Schenna den linken Flügel an, während Matthias Ladurner Oberdorner mit weiteren Schützen aus Algund, Partschins, Lana, Marling und Ulten die Stellung auf der rechten Seite hielt.
Die Kampfhandlungen begannen um 10 Uhr vormittags und nach anfänglichen Erfolgen der Tiroler, welche die Franzosen hier vom Segenbühel hinunter in die Stadt treiben konnten, geriet das Zentrum in Bedrängnis, als eine aus Bozen anrückende französische Verstärkung von weiteren 800 Mann Thalguter und die Seinen über den schwach verteidigten Zenoberg bis zum Knappenloch vor Schloss Tirol zurückdrängten. Dadurch geriet nun auch die rechte Seite in Gefahr, von Gratsch aus wurden schon die ersten Höfe in Algund durch die französischen Geschütze unter Beschuss genommen.
Das Blatt wendete sich jedoch um vier Uhr nachmittags, als den Passeirern von der Kuenzerhöhe aus ein Durchbruch gegen Dorf Tirol, in den Rücken der Franzosen gelang und gleichzeitig aus dem Obervinschgau von den Gerichten Glurns und Mals mehrere hundert Schützen dem bedrängten Zentrum von Peter Thalguter zu Hilfe kamen. Die französischen Truppen wurden nun in kleine Gruppen zersprengt und vom Küchelberg vertrieben. Um sieben Uhr abends befand sich kein französischer Soldat mehr außerhalb der Stadtmauer und um Mitternacht verließ General Rusca mit seinen Truppen Meran.
Wenn wir eine Gedenkfeier wie die heutige ernst nehmen, dann müssen wir schon hinterfragen: Was hat dieser Sieg bewirkt, außer dass es viele Tode zu beklagen galt: an die 100 Burggräfler , Vinschger und Passeirer Schützen, an die 500 bis 600 Soldaten, die überall zuhause waren nur nicht in Frankreich, wie im Fall der Küchelbergschlacht die Neapolitaner, die in den französischen Truppen ihren Dienst ableisteten. Und nicht zu vergessen, die vielen ermordeten Zivilpersonen wie die elf alten und wehrlosen Männer, die in der Gemeinde Dorf Tirol erschlagen worden sind. Allein meine Heimatgemeinde Algund hatte an diesem einen Tag 12 tote Schützen zu beklagen, so viele wie nicht im ganzen Jahr 1809 bei den 4 Bergisel Schlachten und auf den anderen Kriegsschauplätzen.
Wohlgemerkt, wir beklagen heute die Toten einer Schlacht, die einen ganzen Monat nach dem Frieden von Schönbrunn stattgefunden hat, der Friede, der am 14. Oktober 1809 zwischen dem österreichischen Kaiser Franz I und Napoleon Bonaparte geschlossen worden ist. Wenn man die Verluste der Gefechte in St. Leonhard i.P. und bei Jenesien vom 19. bis zum 22. November 1809 noch dazuzählt, dann sind innerhalb einer Woche um die 1.000 Menschen ums Leben gekommen. 1.000 Schützen, französische Soldaten und Zivilpersonen, die den Tod gefunden haben, obwohl die Entscheidungsträger auf Tiroler Seite wissen mussten, dass das Schicksal des Landes schon lange besiegelt war. Es war dies eine menschliche Tragödie, aus der wir auch heute noch die richtigen Schlüsse ziehen müssen.
Obwohl Andreas Hofer bereits am 8. November 1809 in Sterzing die Erklärung der Unterwerfung und die Einstellung des Widerstandes unterzeichnet hatte, ließ er sich durch einige seiner Gefährten zum Weiterkämpfen umstimmen oder zwingen. Josef Hirn beschreibt in seinem 1909 erschienenen Buch „Tirols Erhebung im Jahre 1809“ diese Gefährten passend als lärmendes Gastgesindel, zusammengelaufenes Volk, fragwürdige Existenzen, die sich am liebsten vom Kriege ernährten.
Zu dieser Tragödie ist es aber auch gekommen, weil die Mehrheit unserer Bevölkerung hier im Burggrafenamt und im Passeier im entscheidenden Moment zu Andreas Hofer nicht NEIN gesagt hat. Ein Nein zu einem weiteren Waffengang, ein Nein zu einem weiteren Blutvergießen, ein Nein zu den Gewaltanwendungen an den Zivilpersonen, ein Nein zu den Plünderungen der toten Soldaten.
Die Geschichte hat es immer wieder bewiesen, die größte Macht besitzt das Volk. Gegen den Willen des Volkes können auf Dauer keine Alleinherrscher und Diktaturen bestehen. Müssen die Völker sich aber zuerst von der Ausbeutung erdrücken lassen und fast verhungern, bevor sie sich ihrer Macht besinnen und ihre Rechte einfordern? So wie es auf grausame Weise durch die französische Revolution geschehen ist oder friedlich und ohne Blutvergießen beim Fall der Berliner Mauer?
Ich habe es schon erwähnt. Die Schlacht um den Küchlberg im November 1809 wurde von Peter Thalguter angeführt, dem damals wohl bedeutendsten Hauptmann der Algunder Schützen. Und ich verstehe es so, dass aus diesem geschichtlichen Kontext heraus, mir -als jetzigem Hauptmann der Schützenkompanie Algund- die große Ehre zuteil wird, heute hier diese Ansprache halten zu dürfen. Ich tue dies als ein einfacher Bürger, der zum Unterschied zu unseren Vätern und Großvätern und auch zu Peter Thalguter, die Schrecken des Krieges nie am eigenen Leib gespürt hat, der in den Wohlstand hinein geboren und mit ihm aufgewachsen ist. Als Bürger habe ich deshalb nur eine Botschaft:
Wir alle müssen uns wieder mehr bewusst werden, dass die Demokratie und die Einhaltung ihrer Spielregeln unser höchstes Gut sind.
Wir alle müssen uns stärker daran erinnern, dass wir als Volk der Souverän sind, also die Inhaber der Staatsgewalt.
Wir alle müssen wieder davon überzeugt sein, dass wir als Bürgerinnen und Bürger unsere Volksvertreter zum politischen Handeln auffordern müssen und dies nicht nur bei Wahlen, sondern immer dann, wenn es die Situation erforderlich macht.
Wir alle müssen wieder lernen, die moralische, politische und wirtschaftliche Situation, in der wir uns befinden, zu erkennen und zu analysieren.
Wir alle müssen wieder den Mut aufbringen, laut und offen zu sagen, was gut für uns ist.
Demokratische Entscheidungen werden stets von jenen Mitbürgern herbeigeführt, die mitdenken und mitarbeiten und nicht von jenen, die sich rühmen, unbeteiligt und unpolitisch zu sein.
Die Tiroler Freiheitskämpfer von der Schlacht auf dem Küchlberg 1809 wollten ein Leben in Freiheit ohne Fremdbestimmung. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten sie große Opfer auf sich nehmen und zu viele haben diese Opferbereitschaft in diesen letzten Tagen der Tiroler Erhebung mit ihrem Leben bezahlt.
Wir Südtiroler Schützen und Marketenderinnen, und ich hoffe auch die große Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung, möchte in diesem 21. Jahrhundert ebenso in Frieden und Freiheit und ohne Fremdbestimmung leben. Die Waffen dafür sind, im Unterschied zu damals, das selbstständige Denken und der feste Glaube an die gesteckten Ziele. Diese geistigen Waffen müssen wir endlich hervorholen und gebrauchen.
Guten Abend,
ich bin immer wieder Gast in Meran, wohne dann „unterm Berg“ = Verdistrasse.
Die Schlacht am Küchelberg, ich habe mich immer wieder gefragt wo und wie an diesem steilen Berg gekämpft werden konnte.
Dank Ihres berührenden Beitrages weiss ich jetzt mehr.
Über die Gesamtsituation und auch über Andreas Hofer – und die Schicksale der Menschen.
Plädieren für Frieden und Demokratie gefällt mir. Frieden und Demokratie gefallen mir.
Vielen Dank für die Horizonterweiterung.
Therese Lutz