Interview mit Alois Kröll
Bürgermeister von Schenna und Präsident der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt
BG-online: Geschätzter Herr Kröll, was bedeutet für Sie der Begriff Heimat?
Alois Kröll: Heimat bedeutet für mich Geborgenheit, sich wohlfühlen. Leben in einem vertrauten Umfeld mit Menschen die mir vertraut sind, mit denen ich in meiner Muttersprache sprechen kann; dort wo ich Tradition und Brauchtum erleben und mitgestalten darf.
„BG“: Als Bürgermeister und als politischer Vertreter unseres Bezirkes: was erfüllt Sie mit Stolz und was gibt Ihnen zum Nachdenken?
Ich bin froh, dass besonders im Burggrafenamt unsere Traditionen, unsere vererbten Werte sehr lebendig sind und das muss auch so bleiben. Hier spielen die örtlichen Vereine eine tragende Rolle, diese sind Spiegelbild unserer Gesellschaft. Ohne Vereinsleben in unseren Dörfern, gingen viele fundamentale Werte unseres Tirolertums früher oder später verloren.
Besorgt bin ich über die starke Zuwanderung anderer Kulturen und Religionen, besonders in den Städten. Eine Unterwanderung unserer Kultur dürfen wir nicht zulassen. Durch die neuen Kommunikations-möglichkeiten, E-Mail, SMS, den sozialen Medien usw. geht besonders bei unserer Jugend die Reinheit der deutschen Sprache verloren. Eine Vermischung verschiedener Sprachen schleicht sich im täglichen Gebrauch ein. Das bereitet mir Sorge. Für das Überleben einer sprachlichen Minderheit ist der Gebrauch der „reinen“ Muttersprache und des Dialektes eine Grundvoraussetzung. Und das hat nichts mit Mehrsprachigkeit zu tun, welche ich sehr befürworte!
„BG“: In letzter Zeit wurden immer wieder Bedenken laut, dass der Staat zentralistischer wird und die Zuständigkeiten des Landes ausgehöhlt würden. Ist Ihrer Meinung nach die Südtirol-Autonomie in einem Europa der Regionen noch zeitgemäß?
Der Zentralstaat wird leider immer präsenter. Hier müssen wir auf der Hut sein. Seit langem wird von einer Vollautonomie gesprochen, es wird an der Zeit, dass diese auch umgesetzt wird. Zurzeit werden uns jedoch immer mehr zentralstaatliche Bestimmungen aufgezwungen, ohne dass wir uns dagegen wehren. Hier müssen wir mutiger auftreten. Ich glaube nicht, dass sich ein Europa der Regionen in der Praxis schnell umsetzen lässt und wir dadurch von den manchmal nicht nachvollziehbaren staatlichen Bestimmungen befreit werden. Ich glaube immer noch an die Südtirol- Autonomie, allerdings muss sie unserem Land mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum geben als derzeit möglich ist.
„BG“: Schottland hatte im vergangenen Jahr eine Abstimmung über die Abspaltung vom Königreich Großbritannien und auch Katalonien gab in einem Referendum den Wunsch nach Unabhängigkeit kund. Wäre auch bei uns eine solche Abstimmung denkbar und welches Ergebnis würde ihrer Ansicht nach erzielt?
Jede Abstimmung ist denkbar, birgt aber auch eine gewisse Gefahr in sich. Meiner Meinung nach wäre der Ausgang einer Abstimmung über die Unabhängigkeit unseres Landes offen. Sollte sich keine Mehrheit für eine Abspaltung ergeben, wäre das sehr hemmend, vielleicht sogar fatal für die weitere Entwicklung Südtirols. Nur bei einer klaren Mehrheit für eine Abspaltung, wäre Italien zum Handeln gefordert.
„BG“: Unsere Heimat ist seit jeher ein mehr-sprachiges Land und das Tor zwischen Nord und Süd. Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, Chancen und Gefahren zwischen den Kulturen und Sprachen?
Die Mehrsprachigkeit ist für die Menschen Südtirols ein großer Vorteil; persönlich würde ich das Erlernen der Landessprachen weiter fördern. Durch die Mehrsprachigkeit ergeben sich größere Chancen im Berufsleben. Auch das Aufeinandertreffen der Kulturen kann eine Bereicherung sein. Allerdings gilt es darauf zu achten die eigene Kultur zu leben und zu pflegen.
„BG“: Die beiden großen Sprachgruppen in unserem Land leben zum Großteil nicht miteinander sondern nebeneinander. Würde ihrer Meinung nach diese Situation auch in einem unabhängigen Staat Südtirol weiterbestehen?
Ja, ich glaube daran würde sich auch in einem unabhängigen Staat Südtirol nicht viel ändern.
„BG“: Zum Abschluss: wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, was würden Sie in der Geschichte unseres Landes ändern, was an der momentanen Situation?
Wenn man die Hintergründe der Geschichte nicht ganz genau kennt, ist es schwierig, diese zu kommentieren. Könnte man die Geschichte korrigieren, würde ich gerne auf die Trennung Tirols und den Anschluss Südtirols an Italien verzichten. Heute würde ich die Vollautonomie einfordern. Diese muss aber so weitgreifend sein, dass dann tatsächlich eine autonome Verwaltung und Gestaltung unseres Landes gewährleistet ist, ohne dass diese ständig vom Staat in Frage gestellt wird. Denn sonst ist auch die beste Autonomie nichts wert.
„BG“: Vielen Dank für das Interview!