Kultur

700XM Eine Stadt hat Geburtstag – oder vielleicht doch nicht?

Dass die Gemeindeverwaltung von Meran die Tatsache des 1317 erlassenen (erweiterten) Stadtrechtes feiert, ist zu loben. Dabei die Vereine der Stadt mit einzubinden, ist begrüßenswert.

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Leider stehen auf der eigens errichteten Homepage – sagen wir mal vornehm – einige Ungenauigkeiten, u. zw.:

  1. „700 Jahre Stadt Meran“: Meran wurde nicht 1317 gegründet, sie ist keine geplant errichtete Stadt wie Bruneck, Innsbruck oder Brixen, sondern eine natürlich gewachsene Siedlung.
  2. Der „Gründer“ Heinrich Herzog von Kärnten war als Sohn Meinhards II. zu allererst Graf von Tirol, dann erst Herzog von Kärnten – übrigens auch einige Jahre König von Böhmen.

Sehen wir uns einmal im Schnelldurchgang den Lebenslauf unserer Stadt an, ohne bis in die Stein- bzw. Bronzezeit zurückzugehen.

In einer Urkunde des Bischofs von Chur aus dem Jahre 857 wird Meran erstmals erwähnt (locus qui dicitur meirania). In der Vorauer Kaiserchronik von 1160 scheint die deutsche Namensform ze meran erstmals schriftlich auf. Die Siedlung am Fuße der Dynastenburg Tirol entwickelt sich stetig und wird bereits 1239 Marktort (forum et burgum mairani). Genannter Marktort war mit Türmen und Toren geschützt. Spätestens unter Albert III. von Tirol hatte Meran die Funktion einer Landeshaupstadt und behielt diese Würde bis 1848, wenn auch die Hofhaltung 1420 teilweise nach Innsbruck verlegt wurde.

Meinhard II. von Tirol und Görz beginnt spätestens ab 1271 in Meran Münzen zu prägen (das Regalrecht der Münzprägung erhält er erst 1274). Er ist an der Sicherheit und Verteidigung des Ortes interessiert, darum erlässt er 1272 die Anordnung, dass die purger de civitate de merani Mauern und Stadt zu schützen und verteidigen haben. Das ist die Geburtsstunde des Meraner Aufgebots bzw. der Schützenkompanie.

Da die Siedlung weiter wächst, beginnt man 1280 ein großes planmäßiges Befestigungssystem mit vier neuen Tortürmen, Rondell und Zwingermauern zur Stadtburg Ortenstein anzulegen.

„Stadtrecht von Meran von König Heinrich, Graf v. Tirol von 1317
„Stadtrecht von Meran von König Heinrich, Graf v. Tirol von 1317

Dies war die Ausgangslage, als Graf Heinrich das schon bestehende Marktrecht vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht festschrieb und erweiterte (Beherbungs- und Stapelmonopol sowie zusätzliche Markttage). Auch Siegel- und Wappenrecht erhielt Meran. Das Wappenbild zeigt den ungekrönten Tiroler Adler hinter einer mit Zinnen und Toren versehenen Stadtmauer, d. h. Landeshauptstadt. Diese Privilegien wurden von allen nachfolgenden Regenten – zuletzt von der Kaiserin Maria Theresia – bestätigt und auch erweitert. Kaiser Maximilian z. B. bestätigte Meran 1497 alle Rechte und Freiheiten und verlieh der Stadt das Vorstreitrecht; das heißt, das Meraner Aufgebot durfte als erstes ausrücken, den Kampf eröffnen bzw. in die Stadt oder Festung einmarschieren. Außerdem hatte der Bürgermeister den Vortritt vor allen anderen Bürgermeistern.

Margarethe (Maultasch), die Tochter Heinrichs und letzte Gräfin von Tirol und Görz übergab 1363 mit Zustimmung der Landesstände die Herrschaft an Rudolf IV. von Habsburg, ihren Großneffen.

Die Benediktiner von Marienberg gründeten 1725 ein Gymnasium zur Ausbildung der adeligen und bürgerlichen Jugend. Im 18. Jh. war Meran auch Sitz des Bischofs von Chur und dessen Priesterseminar, das waren die Anfänge der Schulstadt Meran. Erst die Bayern vertrieben 1806 den Bischof, schlossen das Priesterseminar und das Benediktinergymasium. Letzteres entstand 1813 wieder neu.

Unter Bürgermeister J. Valentin Haller begann 1824 der Aufstieg Merans zur Kurstadt, die zweite Glanzzeit der Stadt. 50 Jahre später – 1874 – wurde das erste Meraner Kurhaus gebaut.

Altes Kurhaus mit Musikpavillon
Altes Kurhaus mit Musikpavillon

In den Jahren 1870 bis 1872 nahm der kaiserliche Hof seinen Winteraufenthalt in Meran – Schloss Trauttmannsdorff. Meran war kaiserliches Hauptquartier, und Europas Hochadel traf sich hier. Dies erkennt man auch an den vielen nicht katholischen Gotteshäusern: die evangelische, russisch-orthodoxe, anglikanische und den israelitischen Tempel. Die Stadt war weltoffen und trotzdem in Tirol verankert.

1881 wird mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Bozen – Meran die Kurstadt an das europäische Verkehrsnetz angeschlossen. Am Sylvesterabend 1914 wird der neue große Kursaal eingeweiht. Es war der letzte Glanzpunkt, spätestens mit der Kriegserklärung Italiens an Österreich erlosch aller Glanz. Die großen Hotels wurden Lazarette, die Kuranlagen Erholungsräume für Verwundete. Durch die neuen Grenzziehungen von 1919 wurde die Stadt von ihrem Kulturraum abgeschnitten und ihr Einzugsgebiet stark eingeschränkt. Sie überlebte zwei Kriege, Faschismus und Postfaschismus, und erst Ende der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts erholte sie sich, aber der alte Glanz kam nie wieder.

Meran war 170 Jahre Teil eines selbständigen Fürstentums im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und 555 Jahre Teil der Habsburger Erbländer, eine der Kultur(haupt)stätten Tirols.

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