BURGGRAFENAMT – Seit die neue österreichische Bundesregierung die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an uns Südtiroler in ihr Regierungsprogramm aufgenommen hat, ist die Diskussion um diesen „Doppelpass“ mächtig in Fahrt gekommen und vor allem jene, die einer solchen Maßnahme negativ gegenüberstehen, haben sich in ihrer Wortwahl oft vergriffen und das politische Klima in unserem Lande vergiftet. Dabei hätten sie dazu nur schweigen und dem lateinischen Sprichwort folgen müssen, das da lautet: „si tacuisses, philosophus mansisses“, was frei ins Deutsche übersetzt bedeutet: „Wenn du geschwiegen hättest, dann hätte man dich weiterhin für einen Philosophen gehalten“. So gesehen wäre es auch besser gewesen, wenn Seine Exzellenz Bischof Ivo Muser zu diesem Thema nichts gesagt hätte, denn dann hätte man ihn auch weiterhin für den Oberhirten aller in Südtirol lebenden Katholiken halten können. Jetzt hat sich Seine Exzellenz aber eindeutig auf die Seite der Doppelpassgegner geschlagen und die Forderung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler als anachronistisch und dem friedlichen Zusammenleben der drei Sprachgruppen in Südtirol für abträglich gehalten. Als Christ könne Seine Exzellenz, der Herr Bischof, niemals dafür sein. Eine stärkere Polarisierung hätte man ohne diese Parteiergreifung kaum erzielen können, ganz entgegen der Weihnachtsbotschaft des Herrn Bischofs, in welcher es um die Vermeidung von Frontbildungen und Aufmachen von neuen Gräben geht.
In dieser Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft wird aber ganz vergessen, dass niemanden ein Nachteil erwächst oder etwas weggenommen wird. Keinem Mitbürger der italienischen Sprachgruppe oder dem Italien freundlichen Hochetscher wird durch den Doppelpass seine „Italianità“ streitig gemacht, er darf weiterhin – so der Text der italienischen Hymne – bereit sein für den Tod, wenn Italien ihn dazu ruft oder stolz auf die italienische Wirtschaftspolitik, die von einem Rekord zum anderen bei der Staatsverschuldung eilt. Der Doppelpass wird auch nicht das Privileg beseitigen, dass es in Italien noch einen Staat im Staate gibt, bei dem das organisierte Verbrechen die Spielregeln bestimmt. Diese Art von doppelter Staatsbürgerschaft wird allerdings von zu vielen Mitbürgern stillschweigend geduldet, was ja anderseits verständlich ist, weil es sonst bei dagegen Ankämpfen ordentlich eines auf die Mütze gibt.
Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler ist nur für jene Mitbürgerinnen und Mitbürger vorgesehen, die diese freiwillig beantragen, weil es ihr Herzenswunsch ist, sich auch dem Land ihrer Eltern und Großeltern sowie laut Stammbaum dem Land ihrer gesamten Ahnen zugehörig zu fühlen. Man muss kein Theologe sein, um zu wissen, dass dieser Herzenswunsch sehr wohl mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, weil dadurch niemand in seiner menschlichen Würde und Ehre gekränkt wird.
Gekränkt mögen höchstens jene Zeitgenossen sein, die uns seit jeher das Recht abgesprochen haben, uns als Tiroler zu fühlen und zu bekennen und für die auch heute noch der faschistische Spruch auf dem sog. „Siegesdenkmal“ in Bozen seine Gültigkeit besitzt, der da lautet: „Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.“ Soll heißen: „Von hier aus bildeten (und bilden) wir die Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste.“ Aber vielleicht ist es gerade die Angst dieser nationalistischen Kräfte, welche die Gegnerschaft zur doppelten Staatsbürgerschaft mobilisiert, weil man nicht umhin kommt festzustellen, dass 100 Jahre Italienisierungspolitik umsonst gewesen sind, wenn eine große Mehrheit der deutsch und ladinisch sprechenden Südtiroler zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen wird.
Jede(r) wird in dieser Frage frei in seiner Entscheidung sein und dazu keine Einsager brauchen. Soll auch heißen, dass man ein(e) Tiroler(in) bleibt, wenn man die österreichische Staatsbürgerschaft nicht beantragen wird.
Stefan Gutweniger, Bezirksmajor