BERICHT DES BEZIRSMAJORS STEFAN GUTWENIGER
NALS – Den heutigen Bezirkstag haben wir wieder unter ein Motto gestellt. Wir haben dieses nicht erfunden, sondern vom Schützenbund übernommen, weil wir denken, dass es in die heutige Zeit hineinpasst. „STANDHAFT IM GEGENWIND“ müssen wir ausharren, damit unsere Identität und unser Brauchtum in diesem fremden Staat nicht verloren gehen. Ich habe es in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt und ich wiederhole mich gerne: Prof. Reinhard Olt hat mit seinem gleichnamigen Buch „Standhaft im Gegenwind“ sehr sachlich dargelegt, was Schützen und Marketenderinnen in diesen vergangenen 60 Jahren seit der Wiederbelebung des Schützenwesens nach dem II. Weltkrieg imstande gewesen sind, zu leisten. Ohne uns wäre der Identitätsverlust wohl ein großes Stück weiter fortgeschritten. Und gerade weil wir sehen, was wir imstande gewesen sind, zu tun, müssen wir aus der Geschichte die Kraft schöpfen, um weiterhin erfolgreich für unsere Heimat tätig zu sein. Aber dabei sollten wir auch nicht das Motto des vorangegangenen Bezirkstages vergessen, denn „Standhaft im Gegenwind“ können wir nur dann sein, wenn wir den „Mut zur Sprache“ beibehalten.
Das nun zu Ende gehende Geschäftsjahr hat im Frühjahr 2017 gar nicht gut begonnen, haben wir doch mit Bezirksmajor Andreas Leiter Reber einen Mann an der Spitze unseres Bezirkes verloren, der das Schützenwesen im Land und in unseren Tälern in den vergangenen Jahren wesentlich vorangebracht hat. Es hat sich aber auch gezeigt, was Kameradschaft und Zusammenhalt bewirken können, denn es ist uns allen miteinander gelungen, die Geschäfte im Bezirk ordnungsgemäß weiterzuführen. Mein aufrichtiger Dank gilt hier den gewählten Mitgliedern der Bezirksleitung und den Referenten, die sich vorbildhaft bei der Führung des Bezirkes eingebracht und mich sehr unterstützt haben.
Dieser Zusammenhalt hat sich gleich bewährt, als die Diskussion um den landesüblichen Empfang in Meran für den österreichischen und den italienischen Bundes- bzw. Staatspräsidenten anlässlich der Jubiläumsfeier für die Streitbeilegung losging. Unsere Kompanien haben damals basisdemokratisch mehrheitlich beschlossen, einen landesüblichen Empfang durchzuführen unter der Voraussetzung, dass nur die Europahymne und die Tiroler Landeshymne gespielt würde, genauso wie es die Bundesleitung des SSB dem Protokollamt des Landes vorgeschlagen hatte. Wir wissen alle, wie es dann ausgegangen ist. Italien wollte nicht nur auf die italienische Hymne nicht verzichten, sondern auch nicht haben, dass unsere Landeshymne gespielt wird. Bedauerlich ist dabei, dass LH Dr. Arno Kompatscher nicht zu dem gestanden ist, was man zusammen ausgemacht hatte, sondern dem Landenskommandanten und den Schützen den Schwarzen Peter zugeschoben hat. Dass wir Burggräfler den beiden Staatsoberhäuptern dann trotzdem auf unsere Art einen landesüblichen Empfang bereitet haben, hat dann der Justiz und den Ordnungskräften weniger gepasst. Die beiden Flammenschriften FREISTAAT und FREIHEIT, die von unseren Mitgliedern oberhalb Schenna und Riffian am Vorabend des Empfangs entzündet worden waren, haben einmal mehr gezeigt, dass in unserem Land nicht alles Friede, Freude und Eierkuchen ist. Den Grundbesitzern wurde nahe gelegt, das Entzünden der Flammenschriften zur Anzeige zu bringen, was sie aber nicht gemacht haben.
Ein Redakteur hatte sich damals sogar zur Aussage hinreißen lassen, dass uns Schützen kein Zacken aus der Krone fallen würde, wenn wir vor der italienischen Hymne stramm stehen würden. Der Redakteur kennt den Text im Refrain dieser Hymne anscheinend nicht, denn wer will schon bereit sein für den Tod, wenn Italien ruft. Wohl die wenigsten Südtiroler. Eher liebäugeln diese mit der doppelten Staatsbürgerschaft und natürlich ist auch unser Bezirk dafür, wenn auf freiwilligen Antrag Österreich den Südtirolern die österreichische verleihen würde. Es gibt darüber eine hitzige Diskussion, weil einige befürchten, die Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft könnte zu einer plebiszitären Abstimmung ausarten. Und dabei hat sich leider auch unser Bischof zu einer Aussage hinreißen lassen, die er besser nicht hätte machen sollen. Mut zur Sprache heißt auch, dass wir Schützen seiner Exzellenz entgegenhalten müssen, dass man trotzdem Mensch und Christ bleibt, wenn man für die doppelte Staatsbürgerschaft ist.
Die 40 Jahrfeiern der Schützenkompanien Dorf Tirol und St. Pankraz in Ulten waren dann die festlichen Höhepunkte im Sommer, welche die Ausmaße von mittleren Bezirksfesten erreicht haben und wo sich der Zusammenhalt unter den Kompanien unseres Bezirkes einmal mehr manifestiert hat. Ihr 40. Jubiläum der Wiedergründung haben im abgelaufenen Geschäftsjahr auch die Schützenkompanien aus Nals und Gargazon gefeiert, allerdings gewollt in einem schlichteren aber trotzdem würdigen Rahmen.
Wir vom Bezirk haben auch eine Niederlage in einer Abstimmung im Bundesausschuss hinnehmen müssen. Es ist wieder einmal darum gegangen, zu welchem Anlass man eine Ehrensalve abfeuern darf. Wir haben daran festgehalten, dass man dies weiterhin nur für den Herrgott, den Landesherren und die Verstorbenen tun dürfe und nicht bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder anderen Feierlichkeiten. Vielleicht war es die von uns vorgeschlagene Sanktion, mit der wir die anderen Bezirke nicht haben überzeugen können, aber die Diskussion im Bundesausschuss hat doch gezeigt, dass Tendenzen vorhanden sind, sich über Bestimmungen und Richtlinien hinwegzusetzen, wodurch die Autorität der Bundesleitung in Frage gestellt wird.
Unser Bezirk hat sich dann auch mit Meran, als Kandidatin für die Kulturhauptstadt Italiens im Jahr 2020 beschäftigen müssen. Zu unserem Glück ist die Entscheidung anders ausgegangen, wie es sich die Verantwortlichen der Stadtgemeinde gewünscht haben. Schon allein die erste Version des Bewerbungsschreibens war ein Skandal und sicher die Frucht des Verlustes von Identität und Geschichtsbewusstsein vieler unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Denn nur wenn man vergisst und verdrängt, dass faschistische Schläger den Lehrer Franz Innerhofer anlässlich des Trachtenumzuges in Bozen am 24. April 1921 ermordet haben, kann die Behauptung aufstellen und stehen lassen, dass der Faschismus der Kurstadt Meran viel Gutes beschert hat. Jedenfalls haben wir anlässlich des Traubenfestes im Oktober unsere Meinung dazu auf unserem Festwagen dokumentiert, dass Meran einst Kulturhauptstadt von Tirol gewesen ist und nicht Kulturhauptstadt Italiens werden muss.
Auch im Jahr 2017 war seitens des Bezirks Burggrafenamt-Passeier wieder das Bemühen da, sich in die Diskussion einzubringen, wenn es um die politische Zukunft unseres Landes geht. Der Südtiroler Schützenbund hatte am 28. Oktober 2017 wieder zu einer Großtagung in das Vereinshaus von Kurtatsch geladen, um 2 Szenarien zu erörtern, für den Fall, dass sich Südtirol vom italienischen Staat lossagen würde. Die Vor- und Nachteile eines Wiederanschlusses an das Vaterland Österreich oder die Gründung eines Freistaates Südtirol wurden anhand von 5 Themenbereichen beleuchtet. Das, was dabei herausgekommen ist, hat nicht alle in allen Bereichen überzeugt und zufrieden gestellt. Auch wenn der Südtiroler Schützenbund – wie in der jüngsten Sitzung der Bundesleitung besprochen – demnächst eine übersichtliche Wendebroschüre zu den Ergebnissen beider Szenarien herausbringen wird, so muss doch festgehalten werden, dass wir am Anfang dieser umfassenden Diskussion stehen. Wir von der Bezirksleitung sind aber abermals darin bestätigt worden, dass sachlich geführte Diskussionen Schützen und Marketenderinnen innerhalb der Kompanien und des Bezirkes zu einer Kameradschaft zusammenschweißen. Wir haben uns im Bezirk an 2 Abenden auf diesen Konvent in Kurtatsch vorbereitet und waren wohl auch deshalb vollzählig dort präsent, um unsere Ideen einzubringen oder Fragen zu stellen.
Der von Kamerad Andreas Leiter Reber vor einigen Jahren auf die Beine gestellte Lehrgang für Neumitglieder auf dem Vigiljoch hat sich neben der Vermittlung der Tiroler Geschichte immer wieder mit der Zukunft unseres Landes befasst. Ich habe auch im vergangenen November wieder gesehen, wie unsere Mitglieder das ihnen Vermittelte angenommen haben und sicher das nächste Jahr wiedergekommen werden. Ich habe aber auch gesehen, wie die Referenten selbst an ihrer Aufgabe als Motivatoren für das Schützenwesen gewachsen sind. Die Herausforderung muss es daher sein, dass wir dieses erfolgreiche Modell Vigiljoch auf eine breitere Basis im Bezirk stellen können.
Ich bin davon überzeugt, dass unser Schützenwesen nur dann standhaft im politischen Gegenwind wird ausharren können, wenn wir unsere Energien wieder voll in die volkstumspolitische Diskussion um die Zukunft unseres Landes hineinstecken und uns selbst alle ständig weiterbilden. Nur wenn wir sicher in der Themenvermittlung sind, also über Toponomastik, Renten, Schule und Bildung, Wirtschaft und Steuern Bescheid wissen, können wir meinungsbildend wirken und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von unseren Zielen überzeugen.
Haben wir also weiterhin Mut zu Wissen, Bildung und Sprache. Dann werden wir sicher noch lange standhaft im Gegenwind bestehen.