PARISER VERTRAG
Im Mai 1945 endete der II. Weltkrieg. Italien gehörte nicht zu den Siegermächten, daher waren die Südtiroler zuversichtlich, in absehbarer Zeit wieder zu Österreich zurückkehren zu dürfen. Immerhin waren es doch gerade die Alliierten bzw. Siegermächte, die schon nach dem 1. WK das Selbstbestimmungsrecht der Völker betont hatten. Und bereits im April 1945 bekräftigten sie dies in der „Magna Charta der Vereinten Nationen“. Verständlich, dass die Südtiroler berechtigte Hoffnung schöpften.
Sowohl in Österreich als auch in Südtirol fanden unzählige Kundgebungen statt, die den eindeutigen Willen des Volkes bekundeten – die stärksten waren die in Innsbruck und Sigmundskron. In Bruneck und Welsberg hat es auch Tote gegeben.
158.628 Unterschriften wurden gesammelt, auf geheimen Wegen nach Innsbruck gebracht und dort am 22. April 1946 dem österreichischen Bundeskanzler Leopold Vigl übergeben – fast die gesamte wahlberechtigte Bevölkerung Südtirols wollte die Rückkehr zu Österreich.
Letztendlich hatten wohl die Italiener die besseren Karten, und ihre Argumente passten den Alliierten besser ins Konzept, und bei der letzten Außenministerkonferenz wenige Tage später wurde der Antrag Österreichs endgültig abgelehnt.
Am Rande dieser Konferenz machte Österreich auch Kompromissvorschläge, der berühmteste ist wohl die sog. „Pustertaler Lösung“. Diese besagte, dass wenigstens das Wipptal und Eisacktal einschließlich Brixen sowie das Pustertal zu Österreich kommen sollten. Offizieller Grund: Österreich braucht die direkte Verbindung von Ost- nach Nordtirol.
Doch Italien wollte die Brennergrenze, und immer öfter kam die Gewährung einer Autonomie ins Gespräch, mehr war nicht herauszuholen.
Am 5. September 1946 war es soweit: Anlässlich der Pariser Friedenskonferenz unterzeichneten der österreichische Außenminister Dr. Karl Gruber und der italienische Ministerpräsident Dr. Alcide Degasperi das Pariser Abkommen: Die deutschsprachigen Einwohner der damaligen Provinz Bozen und die zweisprachigen Teile der Provinz Trient (Bozner Unterland und Deutschnonsberg) sollten von nun an sprachlich, kulturell und verwaltungsmäßig gleichberechtigt existieren können. Mit diesem Vertrag wurden erstmals konkrete Schutzbestimmungen zugunsten der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols (vor allem hinsichtlich des Schulunterrichts in der Muttersprache) auf internationaler Ebene verbrieft.
Warum die gesamte Provinz Trient in dieses Abkommen einbezogen wurde und dadurch ebenso zu einer Sonderautonomie kam, darüber soll Norbert Hölzl, Autor von „1000 Jahre Tirol“ zu Wort kommen. Auf Seite 285 u. ff. schildert er dies folgendermaßen:
„Weil ich mich da nicht auskenne, habe ich den Ex-Minister Gruber befragt: Es war, hat er gesagt, nach dem Ende eines anstrengenden Verhandlungstages in Paris. Beim Verabschieden hat der Degasperi Grubers Hand einen Moment länger gehalten als normal und hat artig gefragt, in einem leicht tirolerisch gefärbten Deutsch (seit meinem letzten Interview mit Alt-Senator Friedl Volgger weiß ich, dass Degasperi besser Deutsch als Italienisch sprach), also Depasperi hub an – und jetzt zitiere ich wörtlich: „Herr Außenminister, hätten Sei etwas dagegen, meine Heimat, das Trentino, mit in die Autonomie zu nehmen?“
Da Gruber ein höflicher Mensch war und keinen Grund sah, den alten artigen Herrn aus Rom zu kränken, sagte er, nein, er habe eigentlich nichts dagegen. Das war es und das war alles. Punkt. . . .
Was hat der Gruber gekriegt für sein Ja? Ich sagte es schon, einen warmen Händedruck! Meine Güte, so billig hat in den letzten 1000 Jahren noch kein Tiroler Politiker etwas hergegeben! . . .“
Den Pariser Vertrag (auch Gruber-Degasperi Abkommen) gibt es in mehreren Ausfertigungen, eine davon liegt im Staatsarchiv Wien.
Meilensteine Tiroler Geschichte